Eigentum vom Bauträger ohne vollständige Zahlung?
Eigentumsumschreibung trotz offener Restzahlung? Der Eigentumserwerb vom Bauträger
Die Besonderheit des Bauträgervertrages liegt darin, dass – anders als beim klassischen Bauvertrag – nicht nur die Errichtung des Bauwerks geschuldet ist, sondern zugleich auch die Verpflichtung besteht, dem Erwerber Eigentum am Grundstück zu verschaffen. So sieht es das Gesetz in § 650u BGB ausdrücklich vor.
Aus der Natur der Sache ergibt sich hier ein Spannungsverhältnis. Der Bauträger möchte das Eigentum grundsätzlich erst dann vollständig übertragen und die Grundbucheintragung bewilligen, wenn er im Gegenzug den vollständigen Kaufpreis für Grundstück und Bauleistungen erhalten hat. Der Erwerber hingegen hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht in Vorleistung zu gehen, sondern den vollen Kaufpreis erst dann zu bezahlen, wenn das Bauwerk abnahmereif hergestellt und frei von wesentlichen Mängeln ist.
Die gesetzliche Grundlage für die einzelnen Kaufpreisraten bildet die Makler- und Bauträgerverordnung. Nach § 3 Abs. 2 MaBV darf der Bauträger Zahlungen des Erwerbers nur in Abhängigkeit vom Baufortschritt entgegennehmen. Die vollständige Kaufpreiszahlung wird daher regelmäßig erst mit der vollständigen Fertigstellung fällig, also mit der mangelfreien Errichtung des Bauwerks. Zugleich wird in den Bauträgerverträgen nahezu ausnahmslos vereinbart, dass die Auflassung erst dann vollzogen wird, wenn der Erwerber den Kaufpreis vollständig bezahlt hat.
Zwar ist der Anspruch des Erwerbers auf Eigentumserwerb grundsätzlich durch eine Auflassungsvormerkung abgesichert. In der Praxis existieren jedoch zahlreiche Konstellationen, in denen der Erwerber ein erhebliches Interesse daran hat, bereits früher als Eigentümer im Grundbuch eingetragen zu werden. Gerade in Fällen, in denen eine Wohnungseigentümergemeinschaft besteht, verschärft sich das Problem. Oft wird dann über vermeintlich offene Mängelansprüche der Gemeinschaft gestritten. Solche Auseinandersetzungen können sich über viele Jahre hinziehen, mit der Folge, dass auch die Grundbucheintragung des einzelnen Erwerbers auf sich warten lässt. Für die Käufer bedeutet dies eine erhebliche Unsicherheit. Sie haben bereits fast den gesamten Kaufpreis bezahlt, sind aber weiterhin nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Rechtlich stehen sich in dieser Situation die Zurückbehaltungsrechte beider Parteien gegenüber. Der Bauträger beruft sich auf sein Leistungsverweigerungsrecht. Ohne vollständige Kaufpreiszahlung keine Eigentumsumschreibung. Der Erwerber wiederum verweist darauf, dass er die Restzahlung bis zur mangelfreien Herstellung zurückhalten darf. Nicht selten bestreitet der Bauträger dabei schlicht das Vorliegen von Mängeln. Meistens zu Unrecht, zeigt die Erfahrung.
Um treuwidrige Verhaltensweisen zu verhindern, hat der Gesetzgeber in § 320 Abs. 2 BGB eine Korrektur vorgesehen. Das Zurückbehaltungsrecht darf nicht ausgeübt werden, wenn eine Partei bereits in erheblichem Umfang geleistet hat und der noch offene Teil verhältnismäßig geringfügig ist. In diesen Fällen verstößt die Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht gegen Treu und Glauben.
Die Frage, wann ein offener Restbetrag noch als „geringfügig“ gilt, beschäftigt seit Jahren die obergerichtliche Rechtsprechung in baurechtlichen Fallkonstellationen – mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Ausgewählte Rechtsprechung
Das Kammergericht Berlin hat in seinem Urteil vom 18.10.2022 (7 U 41/21) entschieden, dass selbst bei einem offenen Anteil von rund 8,5 % des Kaufpreises die Eigentumsumschreibung verlangt werden kann. In diesem Fall war der Bauträger mit der Beseitigung von Mängeln in Verzug geraten. Das Gericht betonte, dass der Käufer faktisch gezwungen wäre, trotz erheblicher Mängel vollständig zu zahlen, nur um das Eigentum zu erlangen. Eine solche Drucksituation wertete das Gericht als treuwidrig.
Noch eindeutiger war der Sachverhalt im Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 29.04.2022 (13 U 4656/21). Dort hatte der Bauträger die vertragliche Abwicklung erheblich verzögert. Der Käufer hatte mit eigenen Forderungen – unter anderem wegen Ersatzvornahme und Mietausfall – gegen den Kaufpreis aufgerechnet, sodass lediglich ein Restbetrag von 2,3 % verblieb. Bei einem derart geringen offenen Kaufpreis sei das Druckmittel der Verweigerung der Eigentumsumschreibung, so das Gericht, nicht mehr gerechtfertigt.
Ein großzügigeres Verständnis zeigte das OLG Hamburg in seinem Urteil vom 17.04.2015 (9 U 35/14). Dort waren noch 10 % des Kaufpreises nicht bezahlt. Auch hier war der Bauträger mit der Fertigstellung und Mängelbeseitigung in Rückstand geraten. Gleichwohl bejahte das Gericht einen Anspruch auf Eigentumsumschreibung, obwohl ein erheblicher Teil des Kaufpreises noch offenstand.
Anders entschied hingegen das OLG München mit Urteil vom 14.08.2018 (9 U 3345/17 Bau). Dort war lediglich ein Restbetrag von 5 % offen. Diesen Betrag hielt das Gericht jedoch nicht mehr für geringfügig, da die gerügten Mängel nicht als gravierend eingestuft wurden. Ähnlich argumentierte das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 17.01.2022 (8 W 38/21). Bei einem offenen Kaufpreisanteil von rund 3,5 % bewertete es die Gegenrechte des Käufers als schwach und sah in der Weigerung des Bauträgers zur Eigentumsumschreibung kein treuwidriges Verhalten.
Schließlich hat auch das OLG München in seinem Beschluss vom 29.01.2024 (28 U 2650/23) klargestellt, dass ein offener Restkaufpreis von bis zu 8,5 % noch als geringfügig anzusehen ist – jedenfalls dann, wenn der Bauträger trotz mehrfacher Aufforderung bestehende und nicht unerhebliche Mängel nicht beseitigt. In dieser Konstellation wertete das Gericht die Verweigerung der Eigentumsumschreibung als treuwidrig.
Maßstab der Rechtsprechung
Die Gerichte betonen, dass die Frage, ob die Verweigerung der Zustimmung zur Eigentumsumschreibung ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstößt, stets eine Entscheidung des Einzelfalls ist. Die verhältnismäßige Geringfügigkeit des noch offenen Kaufpreisanspruchs ist dabei nur ein Kriterium unter mehreren. Von besonderer Bedeutung kann auch das Interesse des Käufers an einer baldigen Eintragung im Grundbuch sein, insbesondere dann, wenn zwischen der Übergabe des Sondereigentums und der nicht erfolgten Mängelbeseitigung bereits ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist. Im Fall des OLG Hamburg lagen zwischen Übergabe und ausstehender Mangelbeseitigung ganze acht Jahre, was das Gericht zum Anlass nahm, die Schutzwürdigkeit des Bauträgers deutlich geringer zu bewerten als diejenige des Käufers.
Ebenso treten die Interessen des Bauträgers zurück, wenn er entgegen den Vorgaben des § 3 MaBV abgerechnet hat und dadurch Rückzahlungsansprüche des Erwerbers entstanden sind. Gleichzeitig stellt die Rechtsprechung jedoch klar, dass eine geringe Restkaufpreisschuld allein nicht genügt, um stets die Eigentumsumschreibung zu verlangen. Würde man dies verallgemeinern, hätte jeder Erwerber einen Anreiz, bewusst einen Restbetrag einzubehalten, während der Bauträger das Risiko einginge, seine vertraglich vereinbarte Vergütung nicht mehr vollständig abzusichern.
Zusammenfassend gilt daher: Nur wenn neben der Geringfügigkeit des offenen Restbetrages weitere Umstände hinzutreten – etwa erheblicher Zeitablauf, gravierende Mängel oder eine fehlerhafte Abrechnung durch den Bauträger – ist die Verweigerung der Eigentumsumschreibung treuwidrig.
Konsequenz für die Praxis
Die Spannbreite der Entscheidungen reicht von 2,3 % bis 10 %. Einheitliche Grenzen gibt es nicht. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Steht der Bauträger mit der Mangelbeseitigung in Verzug, spricht vieles dafür, schon Beträge im Bereich von 8 bis 10 % als geringfügig zu werten. Fehlen gravierende Mängel, können dagegen bereits 5 % zu viel sein.
Kritische Würdigung
Die uneinheitliche Rechtsprechung schafft Unsicherheit. Käufer können nicht sicher prognostizieren, ob ihr Einbehalt als geringfügig angesehen wird. Klar ist nur, je kleiner der offene Restkaufpreis, je deutlicher der Verzug im Rahmen der Mängelbeseitigung und je schwerwiegender die bestehenden Mängel seitens des Bauträgers, desto eher wird die Treuwidrigkeit bejaht. Vor diesem Hintergrund erscheint eine höchstrichterliche Konkretisierung äußerst wünschenswert. Noch besser wäre eine gesetzgeberische Regelung, etwa dahingehend, dass das Eigentum jedenfalls dann verlangt werden kann, wenn der Erwerber Sicherheit leistet oder ein Sicherstellungerklärung der finanzierenden Bank gegeben wird.
Praxistipp justitia
Erwerber sollten sich nicht vorschnell von der Drohung „keine Eigentumsumschreibung ohne vollständige Zahlung“ einschüchtern lassen. Zwar ist es denkbar, dass der Bauträger nach Vertrag und § 320 BGB seine Zustimmung zur Eigentumsumschreibung zunächst zurückhalten darf. Doch die Rechtsprechung zeigt: Bereits bei Restkaufpreisen im Bereich von 2 bis 10 % kann die Weigerung treuwidrig sein – insbesondere dann, wenn erhebliche Mängel bestehen oder der Bauträger mit deren Beseitigung über längere Zeit im Rückstand ist.
Für Erwerber bedeutet das: Gezielt prüfen, dokumentieren und beraten lassen. Wer Mängel sorgfältig nachweist und rechtzeitig anwaltliche Unterstützung in Anspruch nimmt, kann die eigene Position entscheidend stärken und eine Eintragung in das Grundbuch auch dann durchsetzen, wenn der Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt ist. So kann rechtzeitig vermieden werden, später voreilig geleisteten Zahlungen hinterherlaufen zu müssen oder auch das Risiko einer Insolvenz des Bauträgers zu tragen, falls alles gezahlt wurde, aber kostenträchtige Mängel bestehen.
Stefan Obermeier
Rechtsanwalt