Skip to main content

Blog

Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung doch auch vor Abnahme?

Durchsetzung von Kostenvorschüssen zur Mangelbeseitigung doch vor Abnahme?

Der BGH hat mit Urteil vom 19.01.2017 entschieden, dass es keine Gewährleistungsansprüche vor Abnahme gibt, vor allem aber nicht den sehr praxisrelevanten Anspruch auf Kostenvorschuss für die Beseitigung von Mängeln durch den Besteller im Zuge der Selbstvornahme. 

Wie bei einer derart grundlegenden Änderung der Rechtsprechung abzusehen war, wurde eine Vielzahl rechtlicher „Baustellen“ neu aufgerissen, hinsichtlich derer man sich zuvor Jahrzehnte lang in Sicherheit wähnte. 

Wie bei einer derart grundlegenden Änderung der Rechtsprechung abzusehen war, wurde eine Vielzahl rechtlicher „Baustellen“ neu aufgerissen, hinsichtlich derer man sich zuvor Jahrzehnte lang in Sicherheit wähnte.

Antonie Lehmeier, Rechtsanwältin

Grundsätzlich besteht infolge dieses Urteils ein Wertungswiderspruch (vulgo: Ungerechtigkeit) darin, dass von einem Werkunternehmer, der wenigstens so gut baut, dass Abnahmefähigkeit erreicht wird, ein Kostenvorschuss zur Selbstvornahme verlangt werden kann. Von einem Unternehmer, der hingegen so schlecht baut, dass er nicht einmal Abnahmefähigkeit des Werks erreicht, kann ein Kostenvorschussanspruch basierend auf dem BGH-Urteil vom 19.01.2017 aber nicht verlangt werden. Bei einer derart heftigen Schlechterfüllung könnte zwar theoretisch der Besteller die Abnahme erklären, um Kostenvorschussansprüche zu generieren. Nur würde dadurch der schlechtleistende Unternehmer zusätzlich belohnt, weil sich die Beweislast umdreht, die Gewährleistungsfrist beginnt, die Gefahr zufälliger Verschlechterung auf den Besteller übergeht und anderes mehr. Das will man als Besteller grundsätzlich vermeiden, sodass sich die Frage stellt, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, auch ohne Abnahmeansprüche gegen den Unternehmer auf „Kostenvorschuss“ für die Selbstvornahme der Mangelbeseitigung zu generieren. 

Auch hier sieht das Gesetz einen Weg vor, der allerdings bislang noch nicht durch die Rechtsprechung final abgesegnet ist, weil sich darauf basierende Rechtsstreite erst im Nachgang zur geänderten Rechtsprechung des BGH entwickeln können. 

Ausgangspunkt ist, dass es vor Abnahme keine Gewährleistungsansprüche gibt. Anwendbar ist aber das allgemeine Schadensersatzrecht des BGB, das auch Leistungsstörungen umfasst. 

Die mangelhafte Herstellung einer Leistung oder eines Leistungsteils ist eine Pflichtverletzung. Allerdings nur dann, wenn die Leistung bereits fällig ist, also ein vereinbarter Fertigstellungstermin oder Zwischenfertigstellungstermin erreicht ist. Hat der Unternehmer zu diesem Zeitpunkt seine Leistung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht, kann der Besteller dem Unternehmer zunächst eine Frist gemäß § 281 Abs. 1 S. 1, 1. Alternative BGB setzen. Anspruchsvoraussetzung ist dabei, dass der Unternehmer die Pflichtverletzung (z. B. Schlechtleistung, Leistungsmangel) vertreten muss, sie also schuldhaft verursacht hat. Diese Hürde ist für den Besteller allerdings in Wahrheit keine, da das Vertretenmüssen gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird, der Unternehmer also beweisen müsste, dass die Schlechtleistung von ihm nicht zu vertreten ist. Das wird nur in seltenen Ausnahmefällen gelingen können.

Liegt danach eine schuldhafte Pflichtverletzung des Unternehmers vor, ist er dem Besteller zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schaden liegt in diesem Stadium allerdings noch darin, dass das Werk nicht mangelfrei hergestellt wurde. Das bedeutet, an einen monetären Anspruch kommt der Besteller in dieser Phase noch nicht. Grundsätzlich kann er stattdessen als Schadensersatz die Naturalrestitution verlangen, also, dass der Unternehmer das Werk mangelfrei herstellt. Bis zu diesem Punkt klingt die Rechtslage also relativ unsinnig, weil der Besteller auch so aufgrund Vertrags einen Anspruch darauf hat, dass mangelfrei hergestellt wird. Vorliegend geht es aber um die schadensrechtliche Seite, also um einen Schadensersatzanspruch, der - ohne dass abgenommen wäre - auf Mangelbeseitigung gerichtet ist. Diesen Anspruch auf Naturalrestitution kann der Besteller durch eine weitere Fristsetzung, die er mit einer Ablehnungsandrohung verbinden muss, gem. § 250 BGB in einen Geldanspruch umwandeln. Sobald die mit Ablehnungsandrohung versehene zweite Frist erfolglos abgelaufen ist, hat der Besteller dann einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung von Geld statt der Mangelbeseitigungserbringung. 

Beabsichtigt der Besteller, den Mangel tatsächlich zu beseitigen, wird er nach gleichermaßen neuerer Rechtsprechung des BGH einen Anspruch auf Schadensvorschuss in Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten haben. 

Ergebnis: Die Durchsetzung von Geldansprüchen als Kostenvorschuss für die Durchführung einer Mangelbeseitigung vor Abnahme ist juristisch kompliziert und noch nicht hundertprozentig durch Rechtsprechung abgesichert. Vor allem aber gibt es zusätzliche Formalien zu beachten, bei deren Verletzung der Anspruch auf Zahlung von Geld für die Mangelbeseitigung für den Besteller leicht verloren gehen kann. Hier ist exakte Vorgehensweise, exakte Formulierung und stringente Durchsetzung von Nöten. Der Besteller wird im Einzelfall zu entscheiden haben, ob es ihm sinnvoller erscheint, die Abnahme zu erklären und einen leichteren, juristisch völlig abgesicherten Weg auf Kostenvorschuss zur Selbstvornahme zu beschreiten, oder die Vorteile einer nicht erklärten Abnahme aufrecht zu erhalten, verbunden mit einem etwas unsicheren Weg zum Schadensvorschuss für Ersatzvornahme. 

Antonie Lehmeier, Rechtsanwältin
justitia PartGmbB Rechtsanwälte + Bauingenieure