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Abnahme ohne Fertigstellung

 Abnahme ohne Fertigstellung – und warum die Mangelrüge die Verjährung nicht hemmt.
(OLG München, Beschluss vom 13.06.2024 – 20 U 1009/24 Bau)

Mit Beschluss entschied das OLG München, dass eine Abnahme auch vor vollständiger Fertigstellung möglich ist und eine bloße Mangelrüge die Verjährung von Mängelansprüchen nicht hemmt. Für Besteller und Bauunternehmer hat das erhebliche praktische Folgen.

Im Bauvertragsrecht ist die Abnahme ein zentraler Vorgang. Mit ihr wird der Werklohn fällig, die Gefahr geht auf den Besteller über und die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beginnt zu laufen.

Der Beschluss des OLG München vom 13.06.2024 (20 U 1009/24 Bau) stellt hierzu zwei wesentliche Klarstellungen auf:

1. Die Abnahme ist auch vor Fertigstellung möglich

Eine Abnahme setzt nicht voraus, dass alle Arbeiten vollständig abgeschlossen sind. Entscheidend ist, dass der Besteller die Leistung im Wesentlichen als vertragsgerecht billigt – selbst wenn noch kleinere Restarbeiten offen sind.

2. Eine Mangelrüge hemmt die Verjährung nicht

Ein oft auftauchender Irrtum in der Praxis wird daneben ausgeräumt: Die bloße Anzeige eines Mangels genügt nicht, um die Verjährung zu hemmen. Die Verjährungsfrist läuft weiter - obwohl Mängel gerügt wurden – jedenfalls solange keine gesetzlich vorgesehene Hemmungsmaßnahme ergriffen wird, etwa:

  • Einleitung von Verhandlungen (§ 203 BGB),
  • Anerkenntnis des Unternehmers (§ 212 BGB),
  • gerichtliche Geltendmachung (Klage, selbstständiges Beweisverfahren).

Damit betont das OLG: Wer lediglich einen Mangel rügt, ohne weitere Schritte einzuleiten, riskiert den Verlust seiner Rechte durch Verjährungseintritt.

Fazit

Der Beschluss des OLG München verdeutlicht: Abnahme kann auch vor vollständiger Fertigstellung wirksam erfolgen. Eine bloße Mangelrüge reicht nicht aus, um die Verjährung von Mängelansprüchen zu hemmen. 

Damit ist die Entscheidung ein klares Signal: Wer Mängelrechte sichern will, muss handeln – und zwar rechtzeitig.

Für Besteller heißt das, dass Ansprüche aktiv und rechtzeitig verfolgt werden müssen. Für Unternehmer bietet die Entscheidung Rechtssicherheit im Umgang mit Mängelanzeigen und Verjährungsfristen.

 

Praxistipp justitia

Aus Sicht des Bestellers: 

  • Fristen im Blick behalten: Abnahmezeitpunkt dokumentieren und Verjährungsende berechnen (regelmäßig 5 Jahre bei Bauwerken, § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB). 
  • Im Hinterkopf behalten: Eine Mangelrüge alleine nicht genügt. Daher erkannte Mängel rügen und rechtzeitig verjährungshemmende Schritte einleiten.
  • Beweise sichern: Ein selbstständiges Beweisverfahren ist oft ein wirksames Mittel, um die Verjährung zu hemmen und Mängel gerichtsfest zu dokumentieren.
  • Frühzeitig rechtliche Beratung: Um Rechtsverlust zu vermeiden, sollte rechtzeitig anwaltliche Unterstützung hinzugezogen werden.

 

Aus Sicht des Unternehmers:

  • Mangelanzeigen prüfen: Eine Mangelrüge allein hemmt die Verjährung nicht – das schafft Planbarkeit und Rechtssicherheit.
  • Kommunikation bewusst führen: Schriftliche Stellungnahmen sollten keine Formulierungen enthalten, die als Anerkenntnis gewertet werden könnten.
  • Verjährung nutzen: Nach Ablauf der Frist können Ansprüche zurückgewiesen werden, wenn keine wirksame Hemmung vorliegt.
  • Risiken minimieren: Nur bei eindeutigen Sachverhalten Zusagen machen, ansonsten neutrale Formulierungen wählen.

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Alexander Naebers
Rechtsanwalt + Bachelor of Engineering