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Bedeutung von Herstellervorschriften und Verarbeitungsvorgaben

Anleitung? Egal, haben wir immer schon so gemacht.

Eine Abweichung von den Hersteller- oder Verarbeitungsvorgaben begründet nicht automatisch einen Baumangel. Eine Verpflichtung zur Einhaltung von Herstellervorgaben muss extra vereinbart werden. Stets stillschweigend vereinbart ist allerdings die Einhaltung der allgemeinen anerkannten Regeln der Technik. Deren Missachtung begründet einen Anscheinsbeweis für die Kausalität eines eingetretenen Schadens.

Anleitung

Das OLG Hamburg beschäftigt sich in seinem Urteil vom 07.02.2023 – 4 U 77/21 damit, ob ein Baumangel bereits durch Missachtung der Herstellervorgaben vorliegt.

 

Beim zugrundeliegenden Sachverhalt ging es um eine Drainagepumpe, welche nicht nach den Herstellervorgaben eingebaut worden und in bei einem Starkregenereignis ausfiel, wodurch ein erheblicher Wasserschaden im Gebäude entstand.

Das vorinstanzliche Landgericht urteilte, dass die Nichtbeachtung der Herstelleranleitung Beweis genug für einen Baumangel sei und daher der Wasserschaden ohne Weiteres als Folge des Mangels gelte.

Das nachfolgend entscheidende OLG Hamburg nahm die Sache etwas genauer unter die Lupe und urteilte, dass mangels weiterer Vereinbarungen stillschweigend nur die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik für die Herstellung des Werks vereinbart sei.

Von den allgemein anerkannten Regeln der Technik seien jedoch die Hersteller- oder Verarbeitungsrichtlinien zu unterscheiden. Wenn letztere höhere Anforderungen an die Herstellung des Werks stellen als die allgemein anerkannten Regeln der Technik, seien diese ohne ausdrückliche Vereinbarung der Geltung dieser Vorgaben deren Einhaltung für die Mangelhaftigkeit nicht maßgeblich.

Eine Abweichung von Herstellungs- oder Verarbeitungsvorgaben begründe nur ein Indiz, dass womöglich nicht nach den anerkannten Regeln der Technik vorgegangen wurde und folglich der Anschein entsteht, dass der Schaden hierauf beruhe. 

Die Erschütterung des Anscheins, dass der eingetretene Schaden nicht auf der Missachtung der anerkannten Regeln der Technik beruht, obliegt dem Unternehmer. Die Erschütterung dieses Anscheinsbeweises gelingt ihm aber schon dann, wenn er einen Lebenssachverhalt vortragen kann, der es als plausible Möglichkeit erscheinen lässt, dass der Schaden nicht Folge des Verstoßes gegen die Hersteller- oder Verarbeitungsrichtlinien war. Zweifel an der Erschütterung des Anscheins gehen zu Lasten des Unternehmers. 

D.h. bei Nichtbeachtung der Hersteller- oder Verarbeitungsvorgaben gelten im Ergebnis geringfügig verschärfte Beweisregeln für den Unternehmer, indem diese den Anschein erwecken, die anerkannten Regeln der Technik seien nicht eingehalten, was wiederum den Anschein bewirkt, dass der Schaden kausal auf der Nichtbeachtung der anerkannten Regeln basiert. 

Die Nichteinhaltung der Herstellervorschriften alleine stellt aber noch keinen Mangel des Werks dar.

Im entschiedenen Fall war dies letztlich aber nicht einmal entscheidend, da die Herstellervorgaben sich mit den anerkannten Regeln der Technik deckten und der Unternehmer den Anschein der Ursächlichkeit der Verletzung der Herstellervorgaben und die allgemein anerkannten Regeln der Technik für den Schadenseintritt daher nicht widerlegen konnte.

Praxishinweis: 

Für den Auftraggeber: Die Geltung und Einhaltung von Hersteller- und Verarbeitungsvorgaben sollte immer explizit vereinbart werden.  Nur dann zählen sie zum geschuldeten Werkerfolg und ihre Verletzung alleine stellt bereits einen Mangel dar.

Für den Auftragnehmer: Hersteller- und Verarbeitungsvorgaben sollten beachtet werden und müssen zumindest auf den Einklang mit den anerkannten Regeln der Technik geprüft werden. Auf der sicheren Seite ist der Auftragnehmer regelmäßig dann, wenn die Herstellervorschriften und die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden.

Alexander Naebers
Rechtsanwalt + Bachelor of Engineering