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Teilkündigung: oft versucht, doch selten erreicht

Augen auf bei der Vertragsbeendigung

Der VOB/B-Vertrag ist ein Standardvertragsklauselwerk für Bauleistungen, das auf die Besonderheiten des Bauwesens zugeschnitten ist. Im Rahmen dieses Vertrags ist es möglich, eine Teilkündigung aus wichtigem Grund zu erklären. Allerdings muss die Teilkündigung auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung beschränkt sein, um wirksam zu sein. Im vorliegenden Fall ging es um einen Auftrag für Dachdeckerarbeiten an einem Justizzentrum, das aus mehreren Gebäuden bestand. Der Auftraggeber hatte eine Teilkündigung für die noch ausstehenden Arbeiten an einem bestimmten Bauteil sowie für einen Verbindungsgang zwischen zwei Bauteilen ausgesprochen. Der Auftragnehmer erhob Klage auf Feststellung, dass die Kündigung nicht berechtigt sei. Das Landgericht gab der Klage statt, doch das OLG Düsseldorf entschied mit Urteil vom 08.12.2022 anders.

KuchenstueckTeilkündigungDas Gericht urteilte, dass die Teilkündigung des Auftraggebers unwirksam war, da sie nicht auf in sich abgeschlossene Teile der vertraglichen Leistung beschränkt war. Der Begriff des in sich abgeschlossenen Teils einer Leistung ist eng auszulegen, und Leistungsteile innerhalb eines Gewerks können grundsätzlich nicht als abgeschlossen angesehen werden. Eine Ausnahme von dieser Regel besteht nur dann, wenn nach der Vertragsgestaltung eine klare zeitliche und räumliche Trennung vorliegt. Im vorliegenden Fall handelte es sich jedoch um Leistungsteile innerhalb des Gewerks Dachabdichtungsarbeiten, die zudem einen einheitlichen Gebäudekomplex betrafen. Auch im Rahmen der Leistungsbeschreibung, der Ausführung, den zu übergebenden Nachweisen, der Dokumentation und Planung wurde nicht nach Bauteilen differenziert.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf entspricht der einschlägigen BGH-Rechtsprechung. Eine unwirksame Teilkündigung aus wichtigem Grund ist darauf zu prüfen, ob sie als eine zulässige freie Teilkündigung oder gar eine ordentliche oder außerordentliche Gesamtkündigung ausgelegt oder umgedeutet werden kann. Eine Teilkündigung wegen Mängeln scheidet bezogen auf das von Mängeln betroffene Gewerk in aller Regel aus, zumal eine mangelhafte Leistung als bereits erbrachte Leistung nicht kündbar ist.

In der Praxis sollten Auftraggeber und Auftragnehmer darauf achten, dass die Vertragsbedingungen eindeutig formuliert sind und eine klare räumliche und zeitliche Trennung zwischen den Leistungsteilen besteht, um eine wirksame Teilkündigung zu ermöglichen. Es ist auch ratsam, bei der Dokumentation und Planung der Arbeiten nach Bauteilen zu differenzieren, um im Fall einer Kündigung nachweisen zu können, welche Leistungsteile als in sich abgeschlossen gelten können.

Antonie Kampfer
Rechtsanwältin