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Widerrufsrecht beim Gartenbauvertrag

Widerrufsrecht bei Gartenbauvertrag: kein Werklohn bei fehlender Belehrung
(Landgericht Frankenthal, Urteil vom 15.04.2025 – 8 O 214/24)
Das LG Frankenthal hatte über die Klage eines Unternehmers gegen einen Verbraucher auf knapp 19.000 Euro Werklohn zu entscheiden. Der Unternehmer hatte auf zwei verwilderten Grundstücken Gartenbauarbeiten durchgeführt. Der Leistungsumfang, sowie die Vergütung wurden jeweils direkt auf dem Grundstück mit dem Verbraucher besprochen..

Dabei gaben die Parteien vor Ort sowohl Angebot als auch Annahme ab, sodass der Vertrag unmittelbar dort zustande kam. Eine Widerrufsbelehrung erhielt der Verbraucher jedoch nicht. Monate später erklärte der Verbraucher den Widerruf des Vertrags.

Das LG Frankenthal stellte klar: Es handelte sich um Bauverträge (§ 650a BGB), da als Leistungsgegenstand die „(Wieder)Herstellung von Garten- bzw. Grundstücksflächen vereinbart“ wurde. Die Bauverträge waren außerhalb von Geschäftsräumen zustande gekommen (§ 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB). Damit stand dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu.

„Als außerhalb von Geschäftsräumen gilt ein Vertrag, wenn er bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers – oder einer in seinem Auftrag handelnden Person – an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist (LG Frankenthal Urt. v. 15.04.2025 – 8 O 214/24)“

Mangels ordnungsgemäßer Belehrung über das bestehende Widerrufsrecht begann die 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen. Der Widerruf konnte daher auch Monate später noch wirksam erklärt werden (§ 356 Abs. 3 BGB).

WiderrufsbelehrungFolge: Der Unternehmer verlor nicht nur seinen Vergütungsanspruch, sondern auch jeden Anspruch auf Wertersatz oder Bereicherungsausgleich. Das Gericht stützte sich dabei auf das europäische Verbraucherschutzrecht, das in Fällen fehlender Widerrufsbelehrung diese klare Sanktion vorsieht. Ziel ist es, Unternehmer zur ordnungsgemäßen Belehrung der Verbraucher anzuhalten. Zur Begründung stützt sich die Kammer u.a. auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Mai 2023 (C-97/22), in dem der hohe Stellenwert des Verbraucherschutzes und die gezielte Sanktionierung des Unternehmers als Schutzziel bestätigt werden.

Einwände des Unternehmers, der Auftraggeber handle treuwidrig oder missbräuchlich, wies das Gericht zurück. Besondere Ausnahmefälle, die eine solche Annahme rechtfertigen würden, lagen nicht vor.

Und vor allem: das Widerrufsrecht gilt für jeden Vertragsschluss, also auch für jeden einzelnen Nachtrag!

Fazit

Das Urteil verdeutlicht die erheblichen Risiken für Bauunternehmer bei „Vor-Ort“-Verträgen mit Verbrauchern: ohne ordnungsgemäße Belehrung droht nicht nur der Verlust des Werklohns, sondern auch der Ausschluss sämtlicher Wertersatzansprüche. Sogar bereits erhaltene Abschlagszahlungen sind zurückzugewähren.

Praxistipp justitia

Aus Sicht des Unternehmers ist es in der Praxis kaum handhabbar, eine Widerrufsbelehrung durchgängig parat zu haben. Die gesetzgeberischen Ansforderungen sind wirklichkeitsfremd. Deshalb ist zu beachten:

  • keinen Vertragsschluss direkt auf der Baustelle vornehmen
  • ein Vertragsschluss im Baucontainer denkbar, denn der kann als Geschäftsraum des Unternehmers gelten
  • den Verbraucher in die Geschäftsräume einbestellen und dort den Vertrag abschließen.
  • einen Auftrag erst später annehmen, also nicht sofort vor Ort auf der Baustelle
  • Risiken kennen: ohne ordnungsgemäße Belehrung droht der vollständige Verlust des Vergütungs- und des Wertersatzanspruchs.

Das alles gilt auch für Nachträge, die häufig auf der Baustelle festgelegt werden. D.h. gerade für Nachträge müssen sich Bauunternehmen organisatorisch so aufstellen, dass der Vertragsschluss auf der Baustelle (der für Nachträge häufig so geschieht), quasi "auf Zuruf" unbedingt vermieden werden muss. Dazu müssen auch die Mitarbeiter dahingehend sensibilisiert werden.

Raphael Heene
Magister der Rechtswissenschaften + Wirtschaftsjurist LL.B